Berufsgenossenschaften und Heilmittelverordnungen

Für die Behandlung von Arbeitsunfällen, Unfällen auf dem Weg zur oder von der Arbeit (sogenannten Wegeunfällen) und Berufskrankheiten übernehmen nicht die Krankenkassen die Kosten. Stattdessen tritt hier die gesetzliche Unfallversicherung - getragen von Unfallkassen und Berufsgenossenschaften (BG) - ein. Dafür bestehen eigene Vorschriften, die auch für die Abrechnung von Verordnungen gelten. Leistungserbringer aus dem Heilmittelbereich wie Physiotherapeuten und Ergotherapeuten sollten diese also gut kennen. Hier lesen Sie, was wichtig ist!

Seit 01.04.2023 gilt der neue Rahmenvertrag DGUV für Physiotherapie und Ergotherapie 

 

BG-Verordnungen: Das ist der gesetzliche Rahmen

Wer in Deutschland als Angestellter beschäftigt ist, hat für die Folgen von Arbeits- und Wegeunfällen sowie Berufskrankheiten Versicherungsschutz von der gesetzlichen Unfallversicherung. Zudem sind Schüler, Studierende, Arbeitssuchende, ehrenamtlich Tätige, auf geringfügiger Basis Beschäftigte sowie bestimmte Berufsgruppen von Selbstständigen - darunter auch Physiotherapeuten und Logopäden - bei den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften versichert. Welche Personengruppen außerdem dazu zählen, ist, ebenso wie die Vorgaben zur Versorgung, im Sozialgesetzbuch 7 festgeschrieben. Dort finden sich alle Einzelheiten im Hinblick auf BG-Verordnungen.

Voraussetzung für die Abrechnung von BG-Rezepten

Grundlegend für das Abrechnen von BG-Rezepten ist für Leistungserbringer wie Physiotherapeuten und Ergotherapeuten, die entsprechenden Rahmenvereinbarungen anzuerkennen und zu erfüllen.

Diese legen beispielsweise die Einzelheiten zur Zulassung, Behandlung und zu Haftungsfragen fest. So sind Physiotherapeuten und Ergotherapeuten für die Behandlung Unfallverletzter und Berufserkrankter zugelassen, wenn sie zum einen die Zulassungsvoraussetzungen der GKV-Spitzenverbände gemäß § 124 Abs. 4 SGB V erfüllen.

Zu den Rahmenvereinbarungen zählen Leistungs- und Gebührenverzeichnisse, in denen die Details zu den abrechenbaren Heilmitteln und deren Menge geregelt sind. Also beispielsweise die Leistung selbst, die Behandlungszeit und die Vergütung pro Zeitintervall. Für Logopäden orientiert sich mangels eigenem Rahmenvertrag die Vergütung an den Vereinbarungen der Ersatzkassen.

Nimmt ein Leistungserbringer eine DGUV-Verordnung an und beginnt er die Behandlung, bestätigt er, die Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen.

DGUV-Rahmenvertrag - neues Verordnungsmuster

*gültig seit 01.04.2023

Die Verordnungen wurden erweitert um:

  • Therapiebegründende Diagnosen und Kontextfaktoren
  • Therapiehinweise und konkrete Therapieziele (Felder 1-4 der Verordnung) 
  • Die Physiotherapieverordnung (F 2400) enthält jetzt den Hinweis, dass „KG am Gerät“ keine Leistung der gesetzlichen UV ist und im Bedarfsfall medizinische Trainingstherapie mit der EAP-Verordnung (F 2410) zu rezeptieren ist.
  • Muster F2400 enthält ein neues Feld 9 "Langzeitverordnung"

Hier NEUE MUSTER ansehen: F2400 - Verordnung zur Durchführung von Leistungen zur Physiotherapie und F2402 - Verordnung zur Durchführung von Leistungen zur Ergotherapie

Übersicht Änderungen zum 01.04.2023

Die wichtigsten Änderungen für die Verordnung und Durchführung physio- und ergotherapeutischer Leistungen der DGUV sind:

1. Therapiebeginn (Feld 8 der Verordnung):

  • Nur noch bei dringendem Behandlungsbedarf ist mit der Behandlung innerhalb von 7 Tagen, ansonsten innerhalb von 14 Tagen ab dem auf der Verordnung angegebenen Datum (Feld 8) zu beginnen. Die Entscheidung darüber treffen Sie aufgrund der medizinischen Indikation.
  • Neu ist, dass ein festes Datum auch für einen späteren Beginn der therapeutischen Behandlung eingetragen werden kann, sobald aus Ihrer Sicht absehbar ist, ab wann dies erforderlich ist. Hierdurch soll eine frühzeitige Terminplanung durch die
    Leistungserbringenden möglich sein, wenn schon zu einem frühen Zeitpunkt der Beginn der therapeutischen Behandlung ärztlicherseits festgelegt werden kann.
  • Bei offensichtlich falschem (z. B. in der Vergangenheit liegendem) oder fehlendem Datum in Feld 8 gilt ersatzweise das Datum der Ausstellung der Verordnung als Zeitpunkt für den Beginn der Behandlung.

TIPP: Bitte weisen Sie in Fällen mit in der Zukunft liegendem Therapiebeginn die Versicherten darauf hin, die Verordnung sofort in der Therapiepraxis vorzulegen und entsprechende Termine zu vereinbaren.

 

2. Anzahl der Behandlungen (Feld 5, 2. Mittlere Spalte der Verordnungen):

 

  • Eine Verordnung darf (wie bisher) nur Behandlungen für max. 4 Wochen umfassen, danach ist eine Begründung und erneute Verordnung erforderlich.

Beispiel aus der Praxis: 10 Behandlungstage 2-mal wöchentlich passen nicht in 4 Wochen!

 

3. Verordnungsdauer:

  • Grundsätzlich verliert die Verordnung 2 Monate nach dem auf der Verordnung des D-Arztes/der D-Ärztin angegebenen Datum (Feld 8) ihre Gültigkeit und damit entfällt der Vergütungsanspruch für die danach erbrachten Leistungen. Alle im Gültigkeitszeitraum
    erbrachten Behandlungen einer Verordnung sind zu vergüten.
  • Ausnahmsweise kann die Durchführung der noch offenen Behandlungen einer Verordnung auch nach Ablauf der 2 Monate mit Ihnen vereinbart werden, wenn das Erreichen des angestrebten Therapieziels weiter gesichert ist. Voraussetzung für die Vergütung ist die entsprechende Dokumentation in Feld 8 (s. u.: “Änderungen im Einvernehmen mit dem verordnenden Arzt/der verordnenden Ärztin“).

 

4. Unterbrechung der Behandlung

  • Während der 2-monatigen Gültigkeit der Verordnung darf es nicht mehr als 14 Tage am Stück therapiefreie Zeit geben.

  • Sobald ein Patient oder Patientin innerhalb einer Verordnung mehr als 14 Tage nicht behandelt wird, verliert die Verordnung ihre Gültigkeit und der Patient oder die Patientin muss eine neue Verordnung vorlegen bzw. Sie müssen der Fortführung der noch offenen Behandlungen zustimmen (Dokumentation in Feld 8 s. u.: “Änderungen im Einvernehmen mit dem verordnenden Arzt/der verordnenden Ärztin“).

 

5. Langzeitverordnung

  • Neu geregelt ist die Möglichkeit, eine Langzeitverordnung bis zu 6 Monaten auszustellen (Feld 9 der Verordnung). Hierfür ist vorab die Kostenzusage des UV-Trägers in schriftlicher Form durch die Therapiepraxis oder die versicherte Person einzuholen. Der Umfang der verordneten Behandlungen ist nicht begrenzt und richtet sich ausschließlich nach der medizinischen Notwendigkeit, die vom zuständigen UV-Träger im Rahmen der Kostenzusage überprüft werden kann.
  • Für Unterbrechungen gelten andere Fristen als bei Akutfällen: Die Verordnung verliert ihre Gültigkeit, sobald die Behandlung um mehr als 4 Kalenderwochen unterbrochen wurde.
  • Wenn an mehr als 4 Kalenderwochen am Stück keine Behandlung durchgeführt wurde, ist eine neue Verordnung erforderlich. Der Grund für die behandlungsfreie Zeit ist dabei irrelevant.
  • Ausnahme: Eine stationäre Rehabilitation dauert länger als 3 Wochen. Wenn die Behandlung innerhalb von 7 Tagen nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme fortgesetzt wird, behält die Verordnung ihre Gültigkeit einschließlich des Vergütungsanspruchs für noch offene Behandlungen, jedoch nicht länger als 6 Monate ab dem auf der Verordnung von Ihnen angegebenen Behandlungsbeginn (Feld 8) bzw. ersatzweise dem Verordnungsdatum.

 

6. Änderungen im Einvernehmen mit dem verordnenden Arzt/ der verordnenden Ärztin

  • Diese sind in Ausnahmefällen möglich, müssen aber mit Ihnen telefonisch, schriftlich (einschließlich Fax/E-Mail) abgestimmt sein und dokumentiert werden (im Freitext Feld 8 mit Datum und Unterschrift sowie bei Dokumentation durch den Leistungserbringenden mit dem Kürzel “LE“). Fehlt eine entsprechende Dokumentation auf der Verordnung, entfällt der Vergütungsanspruch. Eine nachträgliche Vergütung kann erfolgen, wenn ein entsprechender Nachweis durch den Leistungserbringenden z. B. mit Ihrer Bestätigung noch erbracht wird.

Struktur der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland

Die gesetzliche Unfallversicherung gliedert sich folgendermaßen. Zunächst einmal sind verschiedene Berufsstände von den folgenden Berufsgenossenschaften versichert:

  • Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI)
  • Berufsgenossenschaft Holz und Metall
  • Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM)
  • Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe
  • Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft - BG BAU
  • Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik
  • Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG)
  • Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr)
  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Kinder in Tageseinrichtungen, Schüler, Studenten, Arbeitssuchende, bestimmte ehrenamtlich Tätige, Helfer in Unglücksfällen, Blutspender und einige weitere Personengruppen sind von Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbänden versichert, die als kommunale Versicherungsträger auf Ebene der Bundesländer organisiert sind. Zudem gibt es die überregional zuständige Unfallversicherung Bund und Bahn, in der beispielsweise Beschäftigte der Bundesverwaltung oder der DB AG versichert sind oder auch Personen aufgrund besonderer Vereinbarungen.

Alle gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand werden vertreten vom Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). In der Landwirtschaft Beschäftigte haben Versicherungsschutz durch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). 

Welche BG ist im Zweifelsfall zuständig?

Hinsichtlich der Zuständigkeit bei nicht ganz trennscharf einer Branche zuzuordnenden Unternehmen besteht die folgende Vorgabe: „Weist ein Unternehmen Bestandteile aus mehreren Branchen auf, die verschiedenen Berufsgenossenschaften angehören, ist die Branchenzugehörigkeit des Unternehmensschwerpunktes maßgeblich“, so die DGUV auf ihrer Homepage. Wichtig ist auch, dass die Versicherten im Gegensatz zur Krankenversicherung den Versicherer nicht selbst wählen.

Sie finden sich im Dickicht der Kostenträger schwer zurecht? Macht nichts. Wir unterstützen Sie rund um das Thema Abrechnung mit Berufsgenossenschaften, Unfallversicherungen und Krankenkassen. Ob Sie Physiotherapeut, Ergotherapeut oder Logopäde sind – wir haben passgenaue Lösungen für Sie.

Unterschied zwischen BG-Verordnungen und GKV-Verordnungen

BG-Verordnungen unterscheiden sich von denen, die mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Wo genau liegen die Unterschiede? Zunächst einmal müssen Ärzte, die BG-Verordnungen ausstellen - meist Durchgangsärzte - über eine entsprechende Zulassung verfügen. Bei Verordnungen zulasten von Berufsgenossenschaften oder Unfallversicherungen sind Ärzte im Gegensatz zur Verordnung für GKV-Versicherte nicht an die Heilmittel-Richtlinie Heilmittelkatalog. Es werden spezifische Formblätter für die Verordnung verwendet: für Physiotherapie Formtext F 2400; für Ergotherapie F 2402.

Für die Logopädie existiert derzeit kein Rahmenvertrag mit diesen Kostenträgern; deshalb auch kein spezifisches Verordnungsformular.

Auch gilt bei BG-Verordnungen nicht die bei GKV-Verordnungen vorgegebene Regelbehandlungszeit. Stattdessen werden Zeitintervalle verordnet. Darüber hinaus sind die Patienten von der Zuzahlungspflicht befreit. Mit der Behandlung muss spätestens innerhalb einer Woche nach Ausstellung der Verordnung begonnen werden.

Susanne Schneider

Seit 2014 ist die Marketing Managerin bei der NOVENTI im Markt Sonstige Leistungserbringer tätig. In enger Abstimmung mit dem Kundenservice, der Produktentwicklung und den Markt- und Kassenreferenten bereitet Susanne Schneider relevante Informationen und Beiträge für die unterschiedlichen Berufsgruppen auf.

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